Dabei haben die ForscherInnen Unerwartetes herausgefunden: Die meisten bakteriellen mRNAs haben eine sehr ähnliche Translationseffizienz, während sich aber die Promotorstärken der Gene stark unterscheiden. Die ForscherInnen konnten eine enge Koordination zwischen der Stärke der Transkription und der ribosomalen Aktivität nachweisen und fanden heraus, dass in Bakterien die Proteinkonzentration primär durch die Transkription bestimmt wird.
Bakterielle Anpassung an veränderte Wachstumsbedingungen
In einem weiterführenden Projekt wurde speziell die Anpassung von Escherichia coli beim Übergang von einem Aminosäure-reichem zu einem Minimalmedium analysiert. In einem Aminosäure-reichem Medium kann Escherichia coli alle benötigten Aminosäuren direkt aus dem Medium aufnehmen und daher alle Energie in die Produktion solcher Proteine stecken, die für die Herstellung immer neuer und immer mehr Proteine zuständig sind. Dies sogenannten ribosomalen Proteine sind für maximal schnelles Wachstum essentiell. Beim Übergang zu einem Minimalmedium ohne Aminosäuren muss das Bakterium seine Ressourcen umstellen und neue Proteine generieren, welche es ihm erlauben die fehlenden Aminosäuren selber herzustellen (die Enzyme der Aminosäurebiosynthesewege). Da die Gesamtzahl an Proteinen in einer bakteriellen Zelle limitiert ist (maximale Proteindichte), muss das Bakterium eine optimale Balance zwischen ribosomaler Proteinbiosynthese und Aminosäurebiosynthese finden.
Mathematisches Modell kann bakterielles Wachstum simulieren
Die in diesem Projekt erfassten absoluten Proteomdaten erlaubten es dem Forscherteam ein kinetisches Modell zu erstellen, welches die Produktion der Enzyme der Aminosäurebiosynthewege beschreibt. Dieses mathematische Modell zeigte einen überraschend klaren Zusammenhang zwischen dem Beginn der Produktion dieser Enzyme und der jeweiligen „Enzymreserve" in Escherichia coli vor dem Mediumswechsel. Die Forscher konnten also mit Hilfe ihres Modells zeigen, wie Escherichia coli seine Genexpression bedarfsgerecht verändert, je nachdem in welcher Ausgangslage es sich befindet und an welche neue Lage es sich anpassen muss.
„Das in beiden beschriebenen Forschungsprojekten erworbene Wissen ist entscheidend, um die Steuerung der Genregulation in Bakterienzellen besser zu verstehen und bakterielles Wachstum mit Hilfe von mathematischen Modellen zu simulieren“, erklärt Dr. Ludwig die Bedeutung der Ergebnisse. Bakterielles Verhalten kann so zukünftig besser vorhergesagt werden.
Publikationen:
- Fachzeitschrift Science: https://www.science.org/doi/10.1126/science.abk2066
- Fachzeitschrift Nature Microbiology: https://www.nature.com/articles/s41564-022-01310-w
Wissenschaftlicher Kontakt:
Dr. Christina Ludwig
Bayerisches Zentrum für Biomolekulare Massensprektrometrie (BayBioMS)
Leiterin des Zentrums für Proteomik
tina.ludwig(at)tum.de
Redaktion:
Susanne Neumann
TUM School of Life Sciences
Presse und Öffentlichkeitsarbeit