In den letzten Jahrzehnten konnten aufgrund neuer Technologien verschiedenste Systeme entwickelt werden, die z. B. in der Krebsforschung riesige Mengen von biomedizinischen Daten erzeugen können.
Parallel dazu entwickelten sich völlig neue Möglichkeiten, diese Daten mit Methoden der künstlichen Intelligenz zu untersuchen und auszuwerten. Beispielsweise können KI-Algorithmen auf Intensivstationen anhand großer Datenmengen von mehreren Überwachungssystemen frühzeitig ein Kreislaufversagen vorhersagen, indem sie viele komplexe Informationen aus verschiedenen Quellen gleichzeitig verarbeiten, was die menschlichen Fähigkeiten weit übertrifft.
Dieses große Potential von KI-Systemen führt zu einer unüberschaubaren Anzahl von biomedizinischen KI-Anwendungen, die sich aber nicht immer an bewährte Verfahren halten oder über deren Funktionsweise, verwendete Algorithmen oder die Datenherkunft in wissenschaftlichen Publikationen nur unvollständige Angaben gemacht werden. Dadurch werden die Beurteilung und umfassende Vergleiche von KI-Modellen erschwert. Die Entscheidungen der KIs sind nicht immer nachvollziehbar und es entstehen Ergebnisse, die nicht vollständig reproduzierbar sind. Diese Situation ist natürlich gerade in der klinischen Forschung unhaltbar, da hier das Vertrauen in KI-Modelle und transparente Forschungsberichte von entscheidender Bedeutung sind, um die Akzeptanz von KI-Algorithmen zu steigern und verbesserte KI-Methoden für die biomedizinische Grundlagenforschung zu entwickeln.
AIMe – Ein Standard für künstliche Intelligenz in der Biomedizin
Ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung der drei Forschungsgruppen von Prof. Dr. Dominik Grimm, Dr. Markus List und Dr. Josch Pauling hat zur Lösung dieses Problems das von der Wissenschaftsgemeinschaft betriebene Register AIMe (“registry for artificial intelligence in biomedical research”) vorgeschlagen, welches es Autorinnen und Autoren neuer biomedizinischer KI-Methoden ermöglicht, leicht zugängliche, durchsuchbare und zitierfähige Berichte zu erstellen, die von der wissenschaftlichen Gemeinschaft untersucht und geprüft werden können.
Nutzer können Fragen stellen
Das frei zugängliche Register ist unter https://aime-registry.org abrufbar und besteht aus einem anwenderfreundlichen Webdienst, der durch den AIMe-Standard führt und es Nutzerinnen und Nutzern von biomedizinischer KI ermöglicht, vollständige und standardisierte Berichte zu den verwendeten KI-Modellen zu erstellen, indem alle relevanten Informationen zu der KI-Anwendung abgefragt werden. Im Anschluss an die Eingabe wird eine eindeutige AIMe-Kennung erstellt, die dafür sorgt, dass der Eintrag langfristig auffindbar bleibt und die in Publikationen angegeben werden kann. Dadurch können Autorinnen und Autoren in Artikeln für Fachzeitschriften auf die aufwendige Beschreibung aller Facetten der verwendeten KI verzichten und einfach auf den Eintrag im AIMe-Register verweisen.
Da das Register als eine von der Wissenschaftscommunity betriebene Webplattform konzipiert ist, kann jede Nutzerin und jeder Nutzer zu bestehenden Einträgen Fragen stellen, Kommentare abgeben oder Verbesserungen vorschlagen. Dieses Feedback aus der wissenschaftlichen Gemeinschaft wird auch in der jährlichen Aktualisierung des AIMe-Standards aufgenommen und interessierte Forschende können dem AIMe-Lenkungsausschuss beitreten, um sich stärker in die weitere Standardisierung der biomedizinischen KI einzubringen.
„Das AIMe-Register implementiert einen minimalen Informationsstandard, der die Reproduzierbarkeit und die Vergleichbarkeit von Ergebnissen gewährleisten soll, ohne aber ein restriktives Regelwerk vorzugeben, das die Entwicklung neuer und innovativer KI-Lösungen erschwert. Durch die Registrierung in der Datenbank werden zudem evaluierte KI-Methoden leicht auffindbar und zugänglich. AIMe ist daher jetzt ein wichtiger und notwendiger Schritt zur frühzeitigen Standardisierung zukünftiger KI in der Biomedizin” berichtet Josch Pauling, Ph.D., Leiter der Nachwuchsforschungsgruppe ‘LipiTUM’ am Lehrstuhl für Experimentelle Bioinformatik der TUM School of Life Sciences.
Wichtig: ein hoher Grad an Reproduzierbarkeit
„Für die erfolgreiche Anwendung von KI Methoden in der Klinik ist ein hoher Grad an Reproduzierbarkeit von höchster Bedeutung. Nichtsdestotrotz ist es oft schwierig Ergebnisse zu reproduzieren, wenn wichtige methodische Details unerwähnt bleiben. Um diese Lücke zu schließen werden Reporting Standards wie AIMe dringend gebraucht. Darüber hinaus bietet AIMe nicht nur einen Standard sondern eine Datenbank die die Erstellung von Reports, deren Zitierung und Suche in Bezug auf bereits bestehende KI Methoden einfach ermöglicht” berichtet Markus List, Ph.D., Leiter der Arbeitsgruppe ‘Big Data in Biomedicine’ vom Lehrstuhl für Experimentelle Bioinformatik der TUM School of Life Sciences.
„Die AIMe-Registry dient hier nicht nur als Repository für standardisierte Berichte von verwendeten KI-Modellen in biomedizinischen Publikationen sondern sollte auch als „Best-Practise“ Protokoll angesehen werden, wie KI Modelle und oft vergessene aber kritische Feinheiten dieser Modelle in wissenschaftlichen Publikationen beschrieben werden sollten“, merkt Prof. Dr. Dominik Grimm, Leiter der Professur Bioinformatik der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT) am TUM Campus Straubing für Biotechnologie und Nachhaltigkeit an.
Originalpublikation
Matschinske, N. Alcaraz, A. Benis, M. Golebiewski, D. G. Grimm, L. Heumos, T. Kacprowski, O. Lazareva, M. List, Z. Louadi, J. K. Pauling, N. Pfeifer, R. Röttger, V. Schwämmle, G. Sturm, A. Traverso, K. van Steen, M. V. de Freitas, G. C. V. Silva, L. Wee, N. K. Wenke, M. Zanin, O. Zolotareva, J. Baumbach, and D. B. Blumenthal: The AIMe registry for artificial intelligence in biomedical research. Nature Methods (2021). DOI: 10.1038/s41592-021-01241-0. https://www.nature.com/articles/s41592-021-01241-0
Weiterführende Links:
Redaktion:
Susanne Neumann
TUM School of Life Sciences
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Wissenschaftlicher Kontakt:
Dr. Josch Konstantin Pauling
TUM School of Life Sciences
Lehrstuhl für Experimentelle Bioinformatik
josch.pauling(at)tum.de