Wer das Wort „Pilz“ hört, denkt wahrscheinlich an einen idyllischen Fliegenpilz oder an eine Ansammlung Hutpilze, die aus einem umgefallenen Baumstamm oder Laubhaufen wachsen. Obwohl es auf der ganzen Welt erstaunlich vielfältige Arten gibt, sind gerade Pilze, die Pflanzenmaterial zersetzen, für Wissenschaftler von besonderem Interesse. Denn die Enzyme, mit denen sie zähe Pflanzenzellwände in einfache Zucker zerlegen, können biotechnologisch hergestellt und in industriellen Prozessen verwendet werden. Damit können wertvolle Verbindungen auf Kohlenhydratbasis erzeugt werden, wie zum Beispiel Biotreibstoffe oder andere Chemikalien, welche diejenigen ersetzen können, die bisher konventionell aus fossilem Erdöl gewonnen werden.
Verständnis der Pilzgenome soll verbessert werden
Interessanterweise sind Pilze in der Lage, auf der Grundlage der Zusammensetzung der verfügbaren Nahrungsquellen zu bestimmen, welche Enzyme sie absondern müssen, um die pflanzlichen Zellwände abzubauen. Um genauer zu untersuchen, wie die Pilze empfinden und auf diese Weise reagieren, verwendete ein Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, unter der Leitung von N. Louise Glass von der University of California at Berkeley (UC Berkeley), mehrere Techniken zur Untersuchung der Gene, Genprodukte und Genregulationsprozesse im filamentösen Pilz Neurospora crassa. Zentraler Inhalt war dabei eine einzigartig umfangreiche Transkriptom-Analyse, die erfasste, wie N. crassa mehr als 50 verschiedene Pflanzenzellwandbestandteile „schmecken“ und welche regulatorischen Proteine in die entsprechenden Signalwege involviert sind.
Die kürzlich veröffentlichte Arbeit - eine Zusammenarbeit des Berkeley-Lab-Teams von Prof. Glass mit Forschern des Joint Genome Institute (JGI; ein Institut des US-Energieministeriums) und der TUM School of Life Sciences der Technischen Universität München - ergänzt nun bereits bestehende Studien, die darauf abzielen, unser Verständnis der Pilzgenome zu verbessern.
Pilze haben einen feinen Geschmackssinn
"In der Studie wird untersucht, wie Ascomyceten-Pilze – der größte Stamm innerhalb des Pilzkönigreichs - in einer Umgebung mit vielen verschiedenen Nahrungsmitteln wählen, was sie wie verwerten wollen", erklärt der Erstautor der Studie, Vincent Wu, von der UC Berkeley. "Filamentöse Ascomyceten – landläufig auch als „Schimmel“ bekannt, werden heutzutage bereits breit für die Produktion von Proteinen, Enzymen, organischen Säuren, aber auch verschiedensten pharmazeutischen Produkten eingesetzt.“, ergänzt Prof. J. Philipp Benz, der die Professur für Holz-Bioprozesse an der TUM innehat und die Studie auf deutscher Seite federführend leitete.
Traditionell werden sie dafür mit einfachen Zuckern, wie Glukose, gefüttert. „Der zukünftig nötige Umstieg auf die Nutzung von Pflanzenabfallstoffen z.B. aus regenerativer Agrar- oder Forst-Produktion, macht es aber notwendig, die Substratpräferenzen der Pilze besser zu verstehen und zu lernen, wie man die ihnen eignen metabolischen Fähigkeiten zielgenau und effizient einsetzen kann. Pilze können also nicht nur schmackhaft sein, sondern durchaus selber auch einen feinen Geschmackssinn haben!“ erklärt Prof. Benz.
Original-Artikel hier:
https://newscenter.lbl.gov/2020/06/03/how-fungi-choose-food/
Link zum Paper, veröffentlicht in PNAS:
https://www.pnas.org/content/117/11/6003.long
Weiterführende Infos:
https://jgi.doe.gov/how-filamentous-fungi-sense-food-neurospora/
Zum Wissenschaftsjahr 2020 „Bioökonomie“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF):
https://www.wissenschaftsjahr.de/2020-21/aktuelles-aus-der-biooekonomie/koepfe-des-wandels/ohne-pilzbiotechnologie-keine-zirkulaere-biooekonomie
Redaktion:
Susanne Neumann
TUM School of Life Sciences
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Wissenschaftlicher Kontakt:
Prof. Dr. J. Philipp Benz
Professur für Holz-Bioprozesse
benz@hfm.tum.de
Tel. +49 8161 71 4590