Harnstoff hilft den Pflanzen beim Wachstum. Über die Hälfte aller synthetischen Dünger, die weltweit genutzt werden, basieren auf diesem Stoff, da er einfach zu lagern, transportieren und auszubringen ist. „Harnstoff als Dünger wird jedoch nur in geringem Maße direkt von den Pflanzen aufgenommen. Erst nach seiner Umwandlung in Ammonium oder Nitrat steht er den Pflanzen als Stickstoff-Quelle zur Verfügung“, erklärt Urs Schmidhalter, Professor am Lehrstuhl für Pflanzenernährung der Technischen Universität München.
Harnstoff tritt in Böden und Gewässer ein
Bei dieser Umwandlung wird Ammoniak freigesetzt, das sich in der Atmosphäre verflüchtigt und auch in tiefere Bodenschichten und damit auch in das Grundwasser eindringt. Das bringt zweierlei Probleme mit sich: Zum einen bedeuten die Stickstoff-Verluste einen hohen finanziellen Aufwand und Ertragseinbußen für die Landwirte, zum anderen sind sie verantwortlich für die Versauerung und Nährstoffanreicherung in Böden und Gewässern.
80 bis 95 Prozent der gesamten Ammoniak-Emissionen in der Europäischen Union waren 2018 auf diese Stickstoff-Verluste zurückzuführen. Synthetische und organische Düngemittel tragen zu den Verlusten wesentlich bei. Aus der Feinstaubbildung von Ammoniak können damit Gesundheitsschäden wie Atemwegserkrankungen sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen entstehen.
Austritt von Ammoniak in die Atmosphäre kann verringert werden
Doch es gibt eine Lösung: Der Zusatz von sogenannten „Urease-Inhibitoren“ verringert die gasförmigen Ammoniak-Verluste. Diese Enzyme werden dem Düngemittel beigemischt und blockieren die Urease-Enzyme für einen gewissen Zeitraum, der für die Umwandlung von Harnstoff in Ammonium und Kohlendioxid nötig ist. „Studien haben gezeigt, dass solche Urease-Inhibitoren die Emissionen um 50 bis -80 Prozent reduzieren können. Statt sich in der Atmosphäre zu verflüchtigen steht also eine deutlich größere Stickstoff-Menge den Pflanzen zur Ertragsbildung zur Verfügung“, sagt Schmidhalter.
Deutschland ist das erste Land, das den Zusatz von Urease-Inhibitatoren zu granuliertem Harnstoff durch die nationale Düngemittelverordnung 2020 bereits vorschreibt. Die Europäische Union verlangt bis 2030 verpflichtend eine Reduktion von Ammoniak-Emissionen von allen Mitgliedsländern.
Ökoeffizientes Düngen als kostengünstige Schutzmaßnahme
Ein Forscherteam des Lehrstuhls für Pflanzenernährung an der TUM hat nun ein Konzept erstellt, um den gesellschaftlichen und ökologischen Nutzen des Einsatzes solcher Urease-Inhibitoren zu berechnen. Dabei errechnen sie einen Nutzen der Harnstoff-Emissionsminderung für die Ökosysteme und die menschliche Gesundheit von durchschnittlich 17,5 Euro pro Kilogramm Harnstoff-Ausstoß. Die Kosten für den Harnstoffdünger erhöhen sich dabei nur um rund 10 Prozent, welches Mehrkosten von weniger als 10 Cent pro Kilogramm Stickstoff entspricht.
„Die Kosten-Nutzen Abschätzung für die Maßnahmen zur Verringerung des Harnstoff-Ausstoßes wird es den politischen Entscheidungsträgern ermöglichen, die spezifischen Maßnahmen umzusetzen“, meinen Schmidhalter und sein Mitarbeiter Privatdozent Yuncai Hu. Ihre Berechnungen sind auch für andere Regionen weltweit hilfreich. Während die Europäische Union 5 Prozent der weltweiten Harnstoff-Emissionen produziert, sind China für 30 Prozent, Indien für 24 Prozent und die USA für weitere 5,4 Prozent verantwortlich.
„Für das Jahr 2018 betragen die für Deutschland berechneten Kosteneinsparungen bei Einsatz von Urease-Hemmstoffen 0,3 Milliarden Euro, für Europa 3 Milliarden, für China 9 Milliarden und für die ganze Welt 63 Milliarden Euro. Wir haben diese Zahlen ergänzend zum Artikel berechnet und die allerneuesten Informationen mit einbezogen“, sagt Prof. Schmidhalter.
Der Einsatz von Urease-Hemmstoffen stellt laut Schmidhalter die kostengünstigste Maßnahme zur Reduktion von Ammoniak-Emissionen aus der Landwirtschaft dar. „Weitere Einsparungen, insbesondere aus der Tierhaltung, werden sehr viel kostenintensiver sein“, begründet Schmidhalter.
Publikation:
Yuncai Hu und Urs Schmidhalter: Möglichkeiten zur Erfüllung der nationalen Verpflichtungen zur Senkung der Ammoniakemissionshöchstmengen in den EU-Ländern bis 2030: https://iopscience.iop.org/article/10.1088/1748-9326/ac16fe
Förderung:
Diese Arbeit wurde im Rahmen des Green-Windows4_0 Projekts aus Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gefördert.
Redaktion:
Susanne Neumann
TUM School of Life Sciences
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Wissenschaftlicher Kontakt:
Prof. Urs Schmidhalter
TUM School of Life Sciences
Lehrstuhl für Pflanzenernährung
Tel. +49 8161 71 3391
urs.schmidhalter(at)tum.de