Der Regenwald spielt eine entscheidende Rolle bei der Regulierung des globalen Klimas. Durch die Speicherung von Kohlenstoff hilft der Regenwald, die Auswirkungen des Klimawandels abzumildern. Wird Regenwald zerstört, verliert er seine wichtige Funktion als weltweiter CO2-Speicher. Jede Tonne CO2 Emission verursacht Schäden durch weitere Erwärmung. Höhere Temperaturen führen zum Anstieg der Meeresspiegel, zu häufigeren Wetterextremen und vermehrten gesundheitlichen Problemen. Das alles kann zu Vermögens- und Infrastrukturschäden sowie zu landwirtschaftlichen Ertrags- und Ernteverlusten führen. Das Forscherteam um Thomas Knoke, Professor für Waldinventur und nachhaltige Nutzung an der TUM und Carola Paul, Professorin für Forstökonomie und Landnutzungsplanung der Universität Göttingen und TUM Alumna, hat einen neuen Ansatz zur Ermittlung des ökonomischen Werts vermiedener Entwaldung durch Regenwaldschutzmaßnahmen in der Zeitschrift Nature Sustainability publiziert.
Man kann nur bewerten, was man auch messen kann
Die internationale Gemeinschaft diskutiert intensiv, wie man Waldverluste reduzieren kann. Ob aber bisherige Maßnahmen zum Waldschutz, wie z.B. Gesetzesänderungen und striktere Kontrollen der Einhaltung der Waldschutzmaßnahmen, überhaupt effektiv waren, ist nicht leicht zu beurteilen. Man benötigt eine Referenzlinie, welche die erwarteten Waldverluste ohne den Einfluss der Waldschutzmaßnahmen abbildet. Während solche Referenzen bisher aus statistischen Modellen abgleitet werden, hat das Forscherteam erstmals eine Simulation von Entwaldungsentscheidungen durchgeführt, welche auf Marktsignalen, also rein wirtschaftlichen Interessen, basiert.
Politische Regeln und Ziele beeinflussen Regenwaldverlust
Unterschiedliche simulierte landwirtschaftliche Entscheidungen in Brasilien, der Demokratischen Republik Kongo und Indonesien führten zu einer unabhängigen Referenzlinie. Durch Vergleich mit tatsächlich beobachteten Waldverlusten auf Grundlage von ausgewerteten Satellitendaten, zeigten sich deutliche Trends beim Verlust des tropischen Waldes in den betrachteten Gebieten. Im Bezug zum Referenzwert konnten zeitweise deutlich weniger Regenwaldverlust nach Gesetzesänderungen zum Waldschutz (Brasilien) und strengeren Kontrollen (Indonesien), aber auch erhöhte Waldverluste nach Wahlversprechen (Indonesien) oder während bewaffneter Konflikte (Demokratische Republik Kongo) erkannt werden.
Klimaregulation durch Tropenwald hat einen hohen sozialen Wert
Wird Regenwald zerstört, so setzt dies CO2 frei. Das sehr lange in der Atmosphäre verbleibende CO2 ist ein Treiber für die weitere Erwärmung der Erde. Die mit den CO2-Emissionen einhergehenden zukünftigen Schäden werden als soziale Kosten des Kohlenstoffs bezeichnet. Vermiedene Waldverluste reduzieren soziale Kosten und repräsentieren damit einen sozialen Wert. In dem neuen Berechnungsmodell werden eingesparte und zusätzliche Emissionen durch Veränderungen des Regenwaldverlusts berücksichtigt. Die mathematischen Modelle verarbeiteten Daten von 2000 bis 2019. Weil die Reduktionen der Waldverluste zeitlich vor den erhöhten Waldverlusten erfolgten, konnten die Forschenden mit ihrer dynamischen Bewertungsmethode einen hohen sozialen Wert der zeitweise reduzierten Entwaldung nachweisen. Es zeigte sich dabei ganz klar, dass vermiedene Schäden immer wertvoll sind, selbst wenn ein zukünftiges Verlustrisiko für den Wald und seinen Kohlenstoff besteht.
Waldschutz ist ökonomisch wertvoll
„Den sozialen Wert der zeitweisen Verminderungen der Waldverluste in Brasilien und Indonesien beziffern wir in unserem Modell mit 92,2 Milliarden Euro,“ erläutert Prof. Knoke. „Waldschutzmaßnahmen, auch solche mit einem eher kurzzeitigen Effekt, haben immer einen wirtschaftlichen Wert. Jede Tonne CO2, die durch die tropischen Bäume gebunden wird, mindert die Auswirkungen des Klimawandels und verringert ökonomische Schäden in der Zukunft.“
Die positiven Auswirkungen des Schutzes des Regenwalds stellt Prof. Paul heraus:
„Zeitlich begrenzte Erfolge beim Waldschutz sind auf Dauer natürlich nicht ausreichend. Unsere Studie ermutigt jedoch insofern, dass jeder Schutz von Tropenwald auch ökonomisch wertvoll ist. Bemerkenswert ist, dass der soziale Wert der Klimaregulation durch Waldschutz die privaten ökonomischen Vorteile der Waldrodung übersteigt.“
Publikation: „Trends in tropical forest loss and the social value of emission reductions“; Thomas Knoke, Nick Hanley, Rosa Maria Roman-Cuesta, Ben Groom, Frank Venmans & Carola Paul: https://www.nature.com/articles/s41893-023-01175-9
Wissenschaftlicher Kontakt:
Prof. Dr. Thomas Knoke
TUM School of Life Sciences
Professur für Waldinventur und nachhaltige Nutzung
knoke(at)tum.de
Redaktion:
Dagmar Wagner
TUM Corporate Communication Center
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit