„Weihenstephan ist ein Ort der Wissenschaft, viele Freisinger kennen die Gebäude von außen, doch welche Spitzenforschung sich dahinter verbirgt ist vielen Menschen aus der Bevölkerung gar nicht klar. Umso mehr freue ich mich, dass die Wissenschaftseinrichtungen mit diesem Kennenlern- und Mitmachprojekt der Öffentlichkeit einen Einblick in die spannende, aktuelle Wissenschaft geben“, sagte der Oberbürgermeister der Stadt Freising, Tobias Eschenbacher zu Beginn der Veranstaltung.
Forschung braucht Mithilfe
„Tatsächlich ist Forschung nicht machbar ohne die Unterstützung und Beteiligung der Bevölkerung, beispielsweise durch deren Teilnahme an Studien“, ergänzte Kerstin Dressel, Geschäftsführerin des enable-Clusters und verband deshalb den Innovationstag auch mit einem großen Dank an die Freisinger Bevölkerung. Während der Veranstaltung wurden daher Fragen beantwortet, die die Zuschauer entweder im Chat stellen konnten oder bereits im Vorfeld per Postkarte oder online eingeschickt hatten. Mithilfe der Postkartenaktion „Frag die ESSERwisser“ waren Menschen in Freising und Umgebung nämlich bereits im Vorfeld aufgefordert worden, ihre persönlichen Fragen einzureichen. Die Fragen können auch weiterhin über das Portal gestellt werden und werden dort dann von Expertinnen und Experten schriftlich beantwortet.
Kommunikation ist alles
„Kommunikation ist alles“, stellte auch der Dekan der TUM School of Life Sciences, Prof. Thomas Becker fest, und betonte, wie wichtig es sei, öffentlich und transparent über Forschung zu sprechen. „Die interdisziplinäre Zusammenarbeit all dieser Forschungseinrichtungen ermöglich es, das Wissen im Kleinen zu erarbeiten und für das Große zu denken“. Dabei müsse die gesamte Wertschöpfungskette betrachtet werden. Diesen Aspekt betonten auch Prof. Senthold Asseng vom Hans-Eisenmann-Forum (HEF), dessen Einrichtung sich sehr um die Vernetzung der landwirtschaftlichen Forschung bemüht, sowie Stephan Sedlmayer von der Landesanstalt für Landwirtschaft. „Die Bürgerinnen und Bürger interessieren sich mittlerweile sehr dafür, was die Landwirtschaft macht, wie es den Tieren und Insekten dabei geht, aber gleichzeitig muss die Produktion für den Bauern dank Automatisierung und Digitalisierung vereinfacht werden, um eine rentable Landwirtschaft zu gewährleisten“, so Sedlmayer.
Freisinger essen zu viel Fleisch
Nach der Vorstellungsrunde der beteiligten Organisationen sprach Prof. Hans Hauner, Sprecher des enable-Clusters und einer der bekanntesten Ernährungswissenschaftler Deutschlands, darüber, wie sich die Deutschen derzeit ernähren und welche Folgen diese Ernährungsweise hat. In einer Studie mit Freisinger Bürgerinnen und Bürgern hat das enable-Cluster festgestellt, dass sich die Einwohnerinnen und Einwohner aller Altersstufe beinahe gleich energiereich ernähren, obwohl der Bedarf an Nährstoffen sich im Laufe des Lebens verändert. Wie im Rest Deutschlands auch, essen die Freisinger deutlich zu viel Fleisch, zu viel Zucker und zu wenig Ballaststoffe. „Das ist die typische, moderne Wohlstandsernährung“, so Prof. Hauner. Die Folgen seien bekannt: Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes Typ 2, Krebs und Demenz sind Krankheiten, die sich auf ungesunde Ernährung zurückführen lassen. Knapp 20 Prozent aller Todesfälle in Deutschland seien auf diese Ernährung zurückzuführen. Dabei sei es durchaus möglich, sich gesünder und dennoch schmackhaft zu ernähren. Versuche mit einer gesünderen Variante einer ballaststoffangereicherten und fettreduzierten Leberkäse-Semmel hätten gezeigt, dass die Versuchspersonen den Unterschied zum Original nicht herausschmeckten. Das zeige, dass auch beliebte Speisen in gesünderer Form zubereitet werden könnten. Grundsätzlich gelte aber: „Weniger Fleisch, weniger Salz, Zucker und Fertigprodukte und dafür mehr selbst kochen und regionale Lebensmittel verwenden“, so Hauner.
Während der Corona-Pandemie hätten vor allem Menschen, die bereits vorher zu viel gewogen haben, nochmal deutlich zugenommen, im Schnitt um die fünf Kilo. „Wenig Bewegung und schlechtere Ernährung ist daher eine Begleiterscheinung der Corona-Pandemie, die uns in den nächsten Jahren noch mehr Krankheitsfälle einbringen wird, die auf das Übergewicht zurückzuführen seien“, befürchtet Hauner.
Mehr pflanzliche Proteinquellen nutzen
An diesem Punkt knüpfte Peter Eisner, stellvertretender Institutleiter am Freisinger Fraunhofer Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung an und stellte in seinem Vortrag dar, wie die Ernährung der Zukunft aussehen kann. „Niemand wird in 20 Jahren gezwungen sein, Insekten zu essen“, beruhigte Eisner zunächst die Zuhörerinnen und Zuhörer.
In seinem Vortrag argumentierte er gegen die These, dass mit einem zunehmenden Bevölkerungswachstum die Nährstoffquellen für die Gesamtbevölkerung nicht mehr ausreichen würden. „Es ist genug da, wir müssen es nur besser nutzen“, sagte Eisner. Neue Proteinquellen wie Insekten und Algen könnten durchaus eine Rolle spielen, es sollten jedoch vor allem mehr pflanzliche Energiequellen genutzt und Nebenprodukte, die bei der Erzeugung von Nahrungsmittel entstehen, für den menschlichen Verzehr erschlossen werden. „Aus den Obst-Rückständen bei der Produktion von Fruchtsaft können z.B. noch Snacks wie Obstriegel produziert werden“, erklärt Eisner. Entscheidend sei vor allem, weniger Essen wegzuwerfen. „Jedes Stück Wurst, Brot oder Käse hat einen langen Weg hinter sich – von der Erzeugung über den Transport bis hin zum Verkauf. Das sollten wir wertschätzen und da kann jeder seinen Beitrag leisten“, forderte Eisner auch mit Blick auf Klimaschutz.
Viel Wissenswertes auf der Online Plattform
Wer den Innovationstag verpasst hat kann noch viel Neues rund um das Thema Ernährung entdecken. Auf der Online-Plattform ist von Texten, über Filmen, Laborführungen, Podcasts bis hin zum Gang durch den Körper mit der VR-Brille bereits jetzt schon viel Sehens- und Lesenswertes verfügbar und es kommen immer wieder neue Beiträge dazu, da alle beteiligten Einrichtungen die Plattform kontinuierlich füllen.
Die Online-Veranstaltung sollte in diesem Jahr einen kleinen Vorgeschmack liefern auf den nächsten Innovationstag Ernährung, der für den Sommer 2022 geplant ist. „Wir freuen uns, die Besucherinnen und Besucher dann direkt bei uns in Weihenstephan zu begrüßen, wenn gemeinsames Erleben, Schmecken, Riechen und Ausprobieren hoffentlich wieder möglich sein wird“, sagte Prof. Hauner.
Hier gehts zur you-tube Aufzeichnung der Veranstaltung.
Weitere Informationen:
Initiiert wurde der Freisinger Innovationstag Ernährung vom enable-Cluster, einem von insgesamt vier vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Kompetenzclustern der Ernährungsforschung unter der Federführung der TUM. Verschiedene Forschungseinrichtungen, die ihren Sitz in Freising-Weihenstephan haben, beteiligen sich an diesem gemeinsamen Projekt.
Mitwirkende sind neben dem enable-Cluster die TUM School of Life Sciences, die Stadt Freising, das europäische Institut für Innovation und Technologie in Sachen Ernährung (EIT Food), die Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT), das ZIEL – Institute for Food & Health der TUM, die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL), das Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV, das Kompetenzzentrum für Ernährung (KErn), das Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie an der TUM sowie das Hans Eisenmann Forum für Agrarwissenschaften (HEF) der TUM.
Weiterhin sind die folgenden enable-Partnereinrichtungen beteiligt: die Ludwig-Maximilians-Universität München, das Helmholtz Zentrum München – Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, das sine-Institut sowie das Klinikum rechts der Isar der TUM.
Redaktion:
Susanne Neumann
TUM School of Life Sciences
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Wissenschaftlicher Kontakt:
Dr. Kerstin Dressel
enable-Geschäftsführung
Technische Universität München
Tel. +49 8161 71 3586
kerstin.dressel(at)tum.de