Wald im Klimastress
„Die Baumartenwahl ist heute doppelt eingeschränkt“, sagt der Erstautor der Studie Johannes Wessely von der Universität Wien, „denn die Bäume die heute gepflanzt werden müssen sowohl unter heutigen Bedingungen, als auch unter zukünftig deutlich wärmeren Bedingungen zurechtkommen“. Würde man beispielsweise wärmeliebende Bäume pflanzen, welche gut an die Bedingungen am Ende des 21. Jahrhunderts angepasst sind, so riskiert man in den nächsten Jahren massive Verluste der Jungbäume durch Kälte und Frost. Gleichzeitig könnte es Baumarten, die gut an das aktuelle Klima angepasst sind, in Zukunft deutlich zu warm werden. Die Schnittmenge der Arten, die heutiges und zukünftiges Klima tolerieren ist klein, und dementsprechend eingeschränkt sind die Möglichkeiten für die Waldbewirtschaftung.
Klimawandel verringert die Zahl geeigneter Baumarten deutlich
Die Studienautorinnen und -Autoren haben die Eignung von 69 europäischen Baumarten im 21. Jahrhundert für ganz Europa untersucht. Sie berücksichtigen dabei, mit einem neuen Ansatz, die Klimaeignung eines Standorts in bewirtschafteten Wäldern über die gesamte Lebensdauer des Baumes. Die Ergebnisse zeigen, durch den Klimawandel hat sich das zur Aufforstung aktueller Schadflächen geeignete Arten-Set um mindesten ein Drittel bis zur Hälfte reduziert. Dies bedeutet, dass nur neun Baumarten je Quadratkilometer im europäischen Durchschnitt dem Klimawandel gewachsen sind. Folgen von Klimawandel sind demnach nicht nur Waldsterben durch Borkenkäfer und Dürre, sondern auch Einschränkungen bei der Aufforstung gestörter Wälder. In Deutschland sind laut der Studie im Durchschnitt 10 Baumarten je Quadratkilometer klimatisch fit für das 21. Jahrhundert, während es unter stabilen Klimabedingungen noch 18 Arten gewesen wären.
Welche und wie viele Baumarten in den unterschiedlichen Regionen Europas dem Klimawandel standhalten können zeigt die interaktive Online-Karte.
Verringerte Baumartenvielfalt reduziert Waldleistungen
„Diese Verengung des Baumartenportfolios könnte stark negative Auswirkungen auf wichtige Waldleistungen haben“, sagt Rupert Seidl, Waldbau-Professor an der Technischen Universität München und Letztautor der Studie. Denn: Nicht alle Baumarten sind gleichermaßen in der Lage, wichtige Waldfunktionen wie die Bereitstellung von Nutzholz, die Speicherung von Kohlenstoff, oder die Habitatfunktion (z.B. als Lebensraum und Nahrungsquelle für Insekten) bereitzustellen. Von den im Durchschnitt in Europa klimafitten neun Baumarten pro Quadratkilometer sind nur ca. ein Drittel wirklich gut in der Lage, diese Funktionen auch zu erfüllen. Der Klimawandel und die daraus resultierende Einschränkung in der Baumartenwahl führt daher unter Umständen zu einer deutlichen Verringerung der Leistungen des Waldes. Und noch einen negativen Effekt hat die klimabedingte Einengung der im Waldbau möglichen Baumarten, merkt Seidl an: „Gemischte Wälder aus vielen Baumarten sind eine wichtige Maßnahme, um Wälder robuster gegen Störungen wie Borkenkäfer zu machen. Mancherorts könnten uns in Europa jedoch die Baumarten ausgehen, um solche bunten Mischwälder zu begründen.“ Die durch den rasch fortschreitenden Klimawandel bedingte Verengung des Baumartenportfolios verringert also möglicherweise auch die Fähigkeit unserer Wälder, sich an den Klimawandel anzupassen.
Klimaschutz ist Waldschutz
Die Wahl der Baumart ist eine der wichtigsten Entscheidungen in der Waldbewirtschaftung. Die Studie, veröffentlicht in Nature Ecology and Evolution, unterstreicht wie stark der Klimawandel den Entscheidungsspielraum in der Bewirtschaftung der Wälder einschränkt. Dies kann wiederum negative Auswirkungen auf die Leistungen des Waldes für die Gesellschaft haben. Die Ergebnisse unterstreichen jedoch auch, dass Maßnahmen die den Klimawandel eindämmen, die negativen Effekte auf den Wald deutlich reduzieren. Wirksame Klimaschutzmaßnahmen sind daher von zentraler Bedeutung, um den Wald und seine Funktionen in Europa nachhaltig zu sichern.
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