An welchen Forschungsprojekten arbeiten Sie?
Schwerpunktthema der Professur für Cellular Agriculture ist die Entwicklung biotechnologischer Verfahren und Konzepte für die alternative Herstellung landwirtschaftlicher Produkte. Hierdurch werden Probleme und Herausforderungen im Zusammenhang mit Umweltauswirkungen, Tierschutz und Nachhaltigkeitsaspekten der konventionellen Tierhaltung für die Fleischproduktion adressiert. Kultiviertes Fleisch („Cultured Meat“) und zukünftige proteinbasierte Produkte für den menschlichen Verzehr können durch Bioproduktionsverfahren („Precision Fermentation“) sowie durch die Verwendung von Säugetierzelllinien hergestellt werden. Um einen Teil der Lebensmittelversorgung dadurch abdecken zu können und diese neuen Technologien langfristig zum Erfolg zu führen, sind erhebliche Effizienzsteigerungen sowie Herausforderungen in der Skalierung zu lösen.
Um dies zu adressieren werden in der Cellular Agriculture Bioscaffolding-Technologien mittels speziellen 3D-Druckverfahren als Gerüststrukturen für die Zellkultur entwickelt. Diese sollen für die Zukunft eine skalierbare Herstellung von zellkulturbasiertem Fleisch ermöglichen.
Weiterhin wird die hocheffiziente biotechnologische Produktion von funktionellen Komponenten für Lebensmittel (bspw. natürliche und semi-synthetische Proteine) untersucht. Hierzu kommen moderne Ansätze der Prozessentwicklung, unterstützt durch Methoden der künstlichen Intelligenz, sowie integrierte Konzepte der molekularen Bioprozesskontrolle zum Einsatz.
Zu welchem Thema würden Sie sich gerne mit Studierenden in lockerer Runde austauschen?
Wie bei sehr vielen Themen lässt sich auch die Cellular Agriculture und – allem voran das Cultured Meat - von mehreren Seiten betrachten. Das besonders Schöne an diesem Thema ist, dass in den meisten Fällen jeder eine persönliche Motivation findet: vom Umweltschutz, über Tierethik bis zur Nahrungsmittelsicherheit und -gerechtigkeit. Ich würde gerne mit den Studierenden über Ihre persönliche Einschätzung zur Cellular Agriculture sprechen – von Forschungsideen bis zur Kommerzialisierung. Hier lässt sich nach meiner Erfahrung ein spannender Dialog über die Vorteile, Nachteile und Herausforderungen der Cellular Agriculture erreichen, der gerne auch eine kritische Auseinandersetzung mit der Materie erlaubt.
Und wie profitiert die Praxis von Ihren Forschungserkenntnissen?
Die Cellular Agriculture an der TUM School of Life Sciences positioniert sich an der Schnittstelle von Forschung und Praxis sowie thematisch zwischen Ingenieurwissenschaften, Biotechnologie und Lebensmittelwissenschaften. Eine wichtige Besonderheit ist, dass unsere Kernkompetenzen Ihre Wurzeln in der industriellen Biotechnologie haben. Diese reichen von der Entwicklung kostengünstiger und hocheffizienter Prozesse, beginnend mit Methoden zur Stammentwicklung, bis zu Prozesskontrolle und Aufreinigungsverfahren. Dies eröffnet für uns die Möglichkeit, die gesamte Prozesskette abzudecken, und gleichzeitig wichtige Effizienzparameter der industriellen Biotechnologie bereits frühzeitig im Blick zu haben.
Weiterhin haben wir an der TUM die Möglichkeit, auch die eine oder andere unkonventionelle (oder „verrückte“) Idee im Bereich der Cellular Agriculture zu verfolgen. Eines meiner Ziele ist, den Transfer in die Praxis auf Basis dieser Konzepte zu stärken. Hier sind insbesondere auch die Studierenden gefragt – ich bin immer offen für neue Ideen, sprechen Sie mich gerne an!
Mehr Informationen:
Prof. Marius Henkel studierte Biosystemtechnik an der Universität Magdeburg und promovierte dann am Institut für Bio- und Lebensmitteltechnik des Karlsruher Institute of Technology (KIT) zum Thema modellbasierte Optimierung eines Bioprozesses zur Herstellung von Biotensiden. Nach der Promotion wechselte er als PostDoc ins Fachgebiet Bioverfahrenstechnik der Universität Hohenheim und war dort mehrere Jahre als leitender Wissenschaftler beschäftigt.
Publikationen:
- Kiefer, Dirk; Tadele, Lea Rahel; Lilge, Lars; Henkel, Marius; Hausmann, Rudolf: High‐level recombinant protein production with Corynebacterium glutamicum using acetate as carbon source. Microbial Biotechnology, 2022. https://doi.org/10.1111/1751-7915.14138
- Xing, Hu; Zhang, Yiting; Krämer, Markus; Kissmann, Ann-Kathrin; Amann, Valerie; Raber, Heinz Fabian; Weil, Tanja; Stieger, Kai R.; Knippschild, Uwe; Henkel, Marius; Andersson, Jakob; Rosenau, Frank: A Polyclonal Aptamer Library for the Specific Binding of the Gut Bacterium Roseburia intestinalis in Mixtures with Other Gut Microbiome Bacteria and Human Stool Samples. International Journal of Molecular Sciences 23(14), 2022, 7744. https://doi.org/10.3390/ijms23147744
- Xing, Hu; Zhang, Yiting; Krämer, Markus; Kissmann, Ann-Kathrin; Henkel, Marius; Weil, Tanja; Knippschild, Uwe; Rosenau, Frank: A Polyclonal Selex Aptamer Library Directly Allows Specific Labelling of the Human Gut Bacterium Blautia producta without Isolating Individual Aptamers. Molecules 27 (17), 2022, 5693. https://doi.org/10.3390/molecules27175693
Links:
- Prof. Henkel im “Meet the researcher”-Interview mit GFI Europe:
- Der erste Professor für Cellular Agriculture im Interview mit CellAg Deutschland
Redaktion:
Susanne Neumann
TUM School of Life Sciences
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit