Das Untersuchungsgebiet für die Masterarbeit im Fach Biologie lag in der Pflegezone des Nationalparks Berchtesgaden. Eigentlich greifen Menschen nicht in die Entwicklung der Tier- und Pflanzenwelt eines Nationalparks ein. Eine Ausnahme ist die Pflegezone: Sie macht ein Viertel der Gesamtfläche aus und erstreckt sich über eine Höhenlage von 600 bis 1400 Meter. Die Pflegezone ist derzeit noch von der Gemeinen Fichte (Picea abies) dominiert, die früher als Nutzholz gepflanzt wurde. Die Fichte ist aber dem Klimawandel nicht gut gewachsen, sie leidet unter dem Borkenkäfer und ist sehr anfällig für Sturmwurf. Nun geht es darum, naturnahe Bergmischwälder wieder herzustellen, die weniger anfällig sind. Das heißt konkret: Die Anteile der Rotbuche (Fagus sylvatica) und der Weißtanne (Abies alba) sollen steigen.
Christina Dollinger hat anhand des Simulationsmodells „iLand“ erforscht, welche Effekte ein derartiger Waldumbau in den nächsten 80 Jahren haben könnte, was die Zusammensetzung und Struktur des Waldes betrifft. Sie verglich drei verschiedene Strategien des Waldumbaus:
- Proaktive Wiederherstellung: Pflanzung von Buche und Tanne in Störungslücken und in Lochschlägen
- Reaktive Wiederherstellung: Pflanzung von Buche und Tanne nur in Störungslücken
- Passive Wiederherstellung: keine Pflanzungen
„Alle simulierten Strategien führten zu einem Anstieg in Buche und Tanne und mehr Strukturvielfalt, unterschieden sich aber hinsichtlich der Geschwindigkeit dieser Entwicklungen“, erklärt Dollinger.
Der Nationalparkleiter Dr. Roland Baier betont die praktische Bedeutung der Abschlussarbeit: „Die Ergebnisse haben wir direkt in unser Waldmanagement übertragen. Durch die Integration natürlicher Prozesse in die Waldentwicklung erreichen wir noch mehr Naturnähe und schützen dadurch die Artenvielfalt im Nationalpark“.
Prof. Rupert Seidl hat die englischsprachige Masterarbeit fachlich betreut und erklärt: „Ihre Ergebnisse zeigen, dass wir die Effekte des Klimawandels in der Restauration von Ökosystemen mitdenken müssen und unterstreicht, dass unsere Bergwälder auch ohne menschliches Zutun eine hohe Anpassungsfähigkeit aufweisen.“ Seit 2022 ist Dollinger Doktorandin an Seidls Lehrstuhl Ökosystemdynamik und Waldmanagement in Gebirgslandschaften und forscht weiter im Nationalpark Berchtesgaden, aber auch in den Nationalparken Shiretoko (Japan) und Grand Teton (USA).
Der Young Academics Award der Alpenkonvention wird alle zwei Jahre verliehen. Er würdigt herausragende Masterarbeiten zu relevanten alpinen Themen. Bewerben können sich junge Forschende aus den acht Alpenstaaten (Schweiz, Frankreich, Italien, Österreich, Slowenien, Deutschland, Liechtenstein, Monaco).
Der Preis geht auf eine Initiative der slowenischen Präsidentschaft der Alpenkonvention zurück und wird von internationalen Partnern unterstützt. Bei einer Veranstaltung im slowenischen Triglav Nationalpark übergab Bundesumweltministerin Steffi Lemke den Preis an Christina Dollinger.
Weitere Informationen über Dollingers Forschung: Climate change accelerates ecosystem restoration in the mountain forests of Central Europe