Bakterien und Archaeen, die beiden sogenannten Domänen prokaryontischer Mikroorganismen, beinhalten eine breite Vielfalt verwandtschaftlich wie physiologisch höchst unterschiedlicher Organismen. Manche davon besitzen aus menschlicher Sicht sehr ungewöhnliche Eigenschaften und wachsen beispielsweise bei siedend heißen oder eiskalten Temperaturen oder bevorzugen sehr saure oder basische Wachstumsbedingungen. Manche können biokatalytisch interessante Eiweiße (Enzyme) bilden oder aus Rest- und Abfallströmen der Land- und Forstwirtschaft nützliche Verbindungen produzieren, andere für Mensch und Tier toxische Gase als Wachstumssubstrat verwerten oder für andere Mikroorganismen toxische Verbindungen bilden. Der Vortrag stellt beispielhaft einige solcher Mikroorganismen vor, sowie Strategien, um manche ihrer biotechnologisch relevanten Eigenschaften nutzbar zu machen.
Mikrobielle Biodiversität ist immens, aber großteils noch nicht erforscht
In ihren natürlichen Habitaten kommen Mikroorganismen meist als mehr oder weniger komplexe Gemeinschaften ganz unterschiedlicher Mikroben vor. Durch die Untersuchung molekularer Marker, die aus Umweltproben isoliert werden können, lassen sich die Zusammensetzungen der Mikrobengemeinschaften analysieren. Allerdings ist der Großteil der Mikroorganismen in natürlichen Habitaten bisher nicht als Reinkultur kultiviert, was deren genauere Charakterisierung verhindert und auch die Nutzbarmachung der ungeheuren Vielfalt mikrobieller Stoffwechseleigenschaften erschwert. Zur Erschließung des biotechnologischen Potentials der bisher unkultivierten mikrobiellen Diversität können molekulargenetische Methoden entwickelt und eingesetzt werden. In seinem Vortrag beschreibt Prof. Wolfgang Liebl, Leiter der Professur für Mikrobiologie an der TUM School of Life Sciences, als Beispiel für derartige Methoden die Entwicklung alternativer Klonierungswirte für die Untersuchung von Metagenomen. Damit kann man sich auf die Suche nach Genen für biotechnologisch relevante Biokatalysatoren aus unkultivierten Mikroorganismen direkt aus Umweltproben machen, ohne zuvor die darin enthaltenen Organismen im Labor zu kultivieren.
Vortragstermin: Donnerstag, 20. Juli 2023, 19 Uhr
Nach dem Vortrag sind alle Interessierten eingeladen, ihre Fragen an den Referenten zu stellen. Moderiert wird die Veranstaltung von TUM-Professor Philipp Benz.
Über den Referenten:
Prof. Liebls Forschung umfasst ein Spektrum verschiedener Themen der angewandten Mikrobiologie und befasst sich mit einer breiten Auswahl phylogenetisch verschiedener Mikroorganismen. Schwerpunkte sind der mikrobielle Abbau von Polysacchariden, extrem thermophile und acidophile Mikroorganismen, (Hemi)Cellulose-abbauende Bakterien, Lösungsmittel-bildende Clostridien, Bildung biotechnologisch interessanter Produkte durch Essigsäurebakterien, Metagenomanalyse mit alternativen Expressionswirten, Alkenbiosynthese und natürliche Genübertragung bei Mikrokokken.
Prof. Liebl studierte Biologie und promovierte nach einer Doktorarbeit am Lehrstuhl für Mikrobiologie 1986 an der TU München. Nach seiner Postdoktorandenzeit am Massachusetts Institute of Technology (M.I.T., Cambridge, MA, USA) und Habilitation an der TU München wurde er 1997 Professor für Angewandte Mikrobiologie an der Georg-August-Universität Göttingen. 2008 wurde Prof. Liebl an die TU München berufen, wo er seitdem den Lehrstuhl für Mikrobiologie leitet.
Über die Reihe:
Die Vortragsreihe „TUM@Freising – Wissenschaft erklärt für ALLE“ wird von der Technischen Universität München gemeinsam mit der Stadt Freising organisiert. In regelmäßigen Abständen stellt die TUM School of Life Sciences ihre Forschung in Form eines für Laien interessanten Vortrags vor. Eine anschließende Diskussion mit dem Publikum ist nach jedem Vortrag ausdrücklich erwünscht. Die Vortragsreihe soll den Freisinger Bürger*Innen einen direkten Zugang zur wissenschaftlichen Arbeit am Campus Weihenstephan ermöglichen und bietet den Wissenschaftler*Innen öffentlichen Input für ihre Forschungsarbeiten.
Mehr Informationen:
Weitere Informationen zur Veranstaltung finden sich unter https://go.tum.de/701258
Kontakt:
Prof. Dr. Wolfgang Liebl
Lehrstuhl für Mikrobiologie
Emil-Ramann-Str. 4
85354 Freising-Weihenstephan
wliebl(at)tum.de