Tausende von Genen steuern in einem eleganten Zusammenspiel die Entwicklung und das Wachstum von Organismen – sowohl bei Pflanzen als auch bei allen anderen Lebewesen. Verschiedene technische Neuerungen der letzten Jahrzehnte ermöglichen es Forscherinnen und Forschern heutzutage die Gesamtheit aller Gene eines Organismus - sein Genom - zu entschlüsseln. Solche Genomsequenzierungen, die in der Vergangenheit noch unzählige Jahre dauerten, mit hohen Kosten und einem hohen personellen Einsatz verbunden waren, können heute in nur wenigen Tagen mit bedeutend geringerem Aufwand durchgeführt werden. Dies erlaubt es nun, bedeutend genauere Einblicke in die Gen-Welt der Organismen zu erhalten als das bisher möglich war.
Prof. Dr. Claus Schwechheimer leitet den Lehrstuhl für Systembiologie der Pflanzen am Wissenschaftszentrum Weihenstephan der Technischen Universität München und lehrt dort unter anderem Genetik. Die Analyse von Genomdaten spielt in seiner Arbeit eine wichtige und stetig wachsende Rolle. In seinem Vortrag wird er anhand ausgewählter Beispiele erklären, wie Pflanzengenome zusammengesetzt sind und aufzeigen, welche genetischen Eigenschaften Nutzpflanzen zu den „nützlichen Pflanzen“ machen, zu denen der Mensch sie im Laufe ihrer Domestizierung herangezüchtet hat.
Viele Nutzpflanzen, wie auch der Weizen, haben beispielsweise nicht nur ein diploides Genom mit zwei Kopien der Chromosomensätze, so wie der Mensch, sondern häufig vier oder gar mehr Kopien. Unter den Kohlgewächsen finden sich gar viele Bastarde, mit Chromosomensätzen aus verschiedenen Elternarten. In der Gerste kann man beobachten, wie Chromosomen neu entstehen und auch wieder verschwinden. Der Wein liefert den Forscherinnen und Forschern ein interessantes Beispiel für ein genetisches Mosaik, bei dem Zellen mit dem ein oder dem anderen Genrepertoire sich unabhängig voneinander vermehrt haben und wichtige Beiträge zu ertragsrelevanten Eigenschaften liefern.
In einigen Nutzpflanzen konnten auch Gene gefunden werden, die einen eindeutig bakteriellen Ursprung haben, und einen wichtigen Beitrag zum Pflanzenwachstum leisten. Die Unterschiede zwischen Genomen, selbst innerhalb einer Art, sind beachtlich. Alle aktuellen Daten zeigen daher, dass Genome keine starren, unveränderlichen Gebilde sind, sondern überraschend dynamische Strukturen. Die stetig anwachsende Zahl von Genomsequenzdaten wird es uns in Zukunft erlauben, Vorgänge in der Evolution der Pflanzen und ihrer Domestizierung stetig zu verfolgen und wird die Züchtung neuer Sorten basierend auf Genomsequenzdaten ermöglichen.
Vortragstermin:
Dienstag, 21.01.2020, 19.00 Uhr
im Lindenkeller Freising (Veitsmüllerweg 2)
Über den Referenten:
Prof. Dr. Claus Schwechheimer (*1967) studierte Biologie an der Universität Heidelberg und Biotechnologie an der École Supérieure de Biotechnologie de Strasbourg in Frankreich. In seiner Diplomarbeit bei der Firma Zeneca (jetzt Syngenta) und seiner Doktorarbeit am John Innes Center in Norwich in England widmete er sich der Regulation der Genexpression bei Pflanzen. Nach einem dreijährigen Forschungsaufenthalt an der Yale Universität in New Haven (Connecticut, USA) wurde er 2001 Forschungsgruppenleiter am Tübinger Zentrum für Molekularbiologie der Pflanzen. Seit 2008 ist er Professor für Systembiologie der Pflanzen an der Technischen Universität München in Freising. Seit 2011 leitet er den Forschungsverbund SFB924 „Molekulare Mechanismen der Ertragsbildung und Ertragssicherung bei Pflanzen.“. Seit zwei Jahrzehnten stehen zellbiologische und biochemische Prozesse um die Biologie der beiden pflanzlichen Hormone Auxin und Gibberellin im Vordergrund seiner Arbeiten. Die Biologie des Gibberellin-Hormons wird in seinem Vortrag Erwähnung finden. Claus Schwechheimer liebt Musik.